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Rezension aus: Düsseldorfer Jahrbuch 71 (2000), S. 367-372
 

Die 19 Beiträge dieses Sammelbandes gehen größtenteils auf Referate zurück, die auf einer Tagung mit dem Titel: "Konfessionalisierung im Bergischen Land" im Januar 1995 an der Thornas-Morus-Akademie in Bergisch Gladbach gehalten wurden. Ausgehend von dem Begriff der Konfessionalisierung bzw. Konfessionsbildung, wie ihn Ernst Walter Zeeden in verschiedenen Arbeiten konkretisiert hat, wird für das Bergische Land untersucht, wie sich hier die Konfessionsbildung vollzogen hat und ob es für das bergische Land Besonderheiten oder von der allgemeinen Entwicklung abweichende Formen gibt.

Die Beiträge sind drei unterschiedlich großen Gruppen zugeordnet. In der ersten Gruppe unter dem Obertitel: Das Forschungskonzept "Konfessionalisierung", setzen sich Stefan Ehrenpreis (Konfessionalisierung von unten. Konzeption und Thematik eines bergischen Models?) und Winfried Schulze (Konfessionalisierung als Paradigma zur Erforschung des konfessionellen Zeitalters) mit der bisherigen allgemeinen und speziellen Literatur zur Konfessionalisierung und mit den besonderen Fragestellungen auseinander, die auf das Herzogtum Berg im 16. und 17. Jahrhundert gerichtet sein müssen. Dabei wird betont, daß sich manche Entwicklungen nicht auf das Herzogtum Berg beschränken lassen, sondern das gesamte Länderkonglomerat Wilhelms des Reichen und Johann Wilhelms 1. betreffen. Auch wird deutlich, daß es eine enge Verbindung zwischen Konfessionalisierung und Herrschaft gibt. "Die Konfessionalisierung erscheint so als ein wichtiger Faktor der generellen Modernisierung von Staat und Gesellschaft. In zahlreichen Beispielen ist dem Zusammenhang von Staatsentwicklung und Konfessionalisierung nachgegangen worden, der gerade auch für kleinere Territorien wie die Grafschaften gilt, die mit Hilfe konfessioneller Abgrenzungen ihre politische Herrschaft zu stabilisieren trachten." (S. 6) Schulze fragt, inwieweit das Bergische Land als pluralistisches Kirchenland angesehen werden kann und wieweit ein Zwang zur Konfessionalisierung ein Nebeneinander der Konfessionen ausschloß.

In der zweiten Gruppe unter dem Obertitel: Politische Strukturen und Konfessionsbildung werden acht Beiträge zusammengefasst. Wilhelm Janssen ("Gute Ordnung" als Element der Kirchenpolitik in den vereinigten Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg,) sieht die herzogliche Kirchenpolitik des 16. Jahrhunderts in der spätmittelalterlichen Tradition, die zunächst "unkonfessionel" auf die Wahrung von Recht und Ordnung gerichtet war. Oberste Maxime war die Wahrung des sozialen Friedens im Gemeinwesen, Unter diesem Aspekt sind auch die Kirchenordnungen zu sehen, die dem "mittleren Weg" zwischen den Konfessionen zuzuordnen sind. Erst in den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts, nachdem sich die herzogliche Politik der tridentinischen Linie angenähert hat, wird konfessionelle Politik betrieben. Stephan Laux (Wege und Grenzen der Konfessionalisierung: Die Kölner Erzbischöfe des 16. Jahrhunderts als geistliche Oberhäupter und Dynasten) gibt Kurzbiographien der Kölner Erzbischöfe von Hermann von Wied bis Ernst von Bayern und ordnet die Kirchenpolitik der jeweiligen Erzbischöfe in den allgemeinen Kontext ein. Dabei betrachtet er stets die Auswirkungen, die deren Kirchenpolitik auch auf die Verhältnisse in den vereinigten Herzogtümern haben mußten.

Die katholische Reform in den Pfarrgemeinden der Christianität Deutz untersucht Thomas P. Becker. Er geht vom Begriff der "Katholischen Reform" aus und untersucht die Verhältnisse in den Gemeinden aufgrund der Visitationsprotokolle des 17. und 18. Jahrhunderts. So kommt er zu einem Vergleich der Ausbildungssituation der Landpfarrer, der Sakramentsverwaltung, des Verhältnisses zwischen Welt- und Mönchsklerus in der Seelsorge, des konfessionellen Zustandes der Gemeinden, d. h. der Anzahl der Katholiken und Nichtkatholiken (z. B. in Bensberg, Opladen, Mülheim/Rhein etc.) und schließlich zu Aspekten wie Katechese, Schule, Send und Bruderschaften. "Die katholische Konfessionalisierung in der Christianität Deutz ( ... ) war ein eher langsamer und schwieriger Prozeß. Er weist im Bereich der Laienreform deutliche Defizite auf, und er dauerte erheblich länger, als das nach den landläufigen Periodisierungen der Geschichtsbücher mit dem Westfälischen Frieden endenden konfessionellen Zeitalter." (S. 110)

Stefan Ehrenpreis (Die Obrigkeit, die Konfessionen und die Täufer im Herzogtum Berg 1535-1700) wendet sich den Täufern zu, die auch nach der Niederschlagung des Münsteraner Täuferreichs 1535 im Herzogtum Berg in kleinen Gruppen existierten. Wenn die Quellenlage für das Herzogtum Jülich auch besser ist als für Berg, so lassen sich doch aus den Verhörprotokollen und den Anweisungen der Obrigkeit Rückschlüsse auf die Zahl der wenigen intakten Täufergemeinden ziehen. Mehrere Wellen der Unterdrückung, so um 1565/67 und 1638 zeigen, daß die vermeintliche Bedrohung der Obrigkeit und der anderen Gemeinden durch die Täufer umgekehrt proportional zur Bedeutung der Bewegung war. Gregor Horstkemper ("Wie ein zartt ding es umb das gewissen sey". Konfessionsfragen in den Beziehungen zwischen Hessen und Jülich-Kleve-Berg, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts) stellt zunächst die dynastischen Verbindungen zwischen Hessen und Jülich-Kleve-Berg dar und untersucht dann das Verhältnis von Wilhelm von Hessen, dein Sohn Philips des Großmütigen, zu Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg, das über eine Zusammenarbeit und den Versuch des Hessen den Jülich-Berger ins protestantische Lager zu ziehen zu einem Gegensatz während des Kölner Krieges führte. In der Frage der jülich-klevischen Erbfolge unterstützte Wilhelm von Hessen die protestantischen Bewerber.

Rudolf Mohr (Konfessionalisierung und katholischer Hof. Eine Leichenpredigt auf die reformierte Herzogin Catharina Charlotte) hat mit der von Hofprediger Johannes Hundius für Catharina Charlotte, die zweite, 1651 verstorbene Gemahlin Herzog Wolfgang Wilhelms verfassten Leichenpredigt eine Quelle vorgestellt, die ein interessantes Licht auf die konfessionellen Verhältnisse wirft. Die Leichenpredigt spricht den konfessionellen Gegensatz zwischen dem 37 Jahre älteren katholischen Herzog und seiner vor ihm verstorbenen reformierten Frau an, die er noch auf dem Sterbebett zur Konversion bewegen wollte. Hundius gibt Ratschläge zur Förderung des konfessionellen Friedens. Interessant auch der Hinweis, daß Catharina Charlotte, nicht wie in der Literatur mehrheitlich behauptet, im Mausoleum der Andreaskirche, sondern in der Gruft der Lambertuskirche beigesetzt ist (S. 187). Bernhard Ruthmann (Die Konfessionalisierung im Bergischen Land und in der Stadt Köln im Spiegel kammergerichtlicher Prozeßtätigkeit) untersucht die Akten des Reichskammergerichts nach 1555 auf solche Prozesse hin, die aufgrund von Religionsstreitigkeiten angestrengt worden sind. Zu Prozessen am Reichskammergericht führten z. B. eine Klage von Calvinisten aus Siegburg gegen eine Ausweisungsverfügung des Abtes (1573-1576) sowie mehrere Klagen von Lutheranern und Calvinisten gegen die Stadt Köln in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die einen interessanten Einblick in die konfessionellen Verhältnisse in der Reichsstadt werfen. Der Kölner Rat sah in den Ausweisungsverfügungen und sonstigen Strafmaßnahmen ein Mittel zur Disziplinierung von Gegnern, während die Mandate und Urteile des Reichskammergerichts eine hohe friedensstiftende Wirkung besaßen.

Harm Klueting (Protektor des Protestantismus: Zum religionspolitischen Einfluß protestantischer Grafen im Bergischen Land im 16. Jahrhundert) widmet sich dem Problem der Konfessionalisierung in den Unterherrschaften und Pfandschaften innerhalb des Herzogtums Berg Die meist außerhalb Bergs ansässigen häufig calvinistischen Familien verfügten in vielen Fällen über das Besetzungsrecht von bergischen Pfarreien und konnten hier auch als Protektoren auftreten. Der Verf. untersucht ausführlich die Rolle der Grafen von Waldeck als Pfandherren des Amtes Beyenburg, der Grafen von Sayn und Sayn-Wittgenstein mit ihrer Herrschaft Homburg, der Grafen von Daun und Falkenstein mit der Herrschaft Broich, der Herren von Bernsau mit der Unterherrschaft Hardenberg und der Grafen von Neuenahr, von Bentheim und Herren zu Isselstein als Inhaber des Kirchenpatronats in Wülfrath und anderer Pfarren. Dabei legt er ausführlich die familiären und dynastischen Verbindungen dar und beschreibt die Besitzverhältnisse und den kirchenpolitischen Einfluss dieser Grafen und Herren. Die dritte und letzte Gruppe von Beiträgen ist dem "Aufbau konfessioneller Strukturen und der Konfessionalisierung in der Gesellschaft" gewidmet. Kurt Wesoly (Katholisch, lutherisch, reformiert, evangelisch? Zu den Anfängen der Reformation im Bergischen Land.) kann aufgrund von Visitationsprotokollen und sonstigen Quellen feststellen, daß sich die evangelische Lehre im bergischen Land nur langsam festsetzt. In den 60er Jahren wird dann das aggressive Auftreten von Calvinisten aktenkundig. Durch die besonderen Verhältnisse im Herzogtum Berg wird der Grundsatz "cuius regio, eius religio" nach 1555 nicht in dem Maße wirksam, wie in anderen Territorien. Bei einer Untersuchung durch den herzoglichen Juristen Dietrich Graminäus, der durch seine Beschreibung der Hochzeit des Jungherzogs Johann Wilhelm mit Jacobe von Baden 1585 bekannt geworden ist, im Jahre 1589 stellt sich heraus, daß in vielen Fällen eine eindeutige Zuordnung der Pastöre und ihrer Gemeinden zu der ein oder anderen Konfession noch nicht möglich ist, auch lassen sich verschiedene Mischformen nachweisen. Volkmar Wittmütz (Kirchenordnung und Konfessionalisierung in reformierten Gemeinden des Niederbergischen) untersucht reformierte Kirchenordnungen, wie sie auf Synoden, so der ersten reformierten Synode 1589 in Neviges, besprochen und verlesen wurden. War zunächst der Heidelberger oder Wittenberger Katechismus Richtschnur, so wurden im 17. Jahrhundert Kirchenordnungen zugrundegelegt, die vom brandenburgischen Kurfürsten ausgingen. Auf Nachsuchen der reformierten Gemeinden im Herzogtum Berg auf Genehmigung dieser Kirchenordnung durch ihren Landesherren, erhob Philipp Wilhelm keine Einwände, gab aber verständlicherweise keine offizielle Bestätigung.

Wolfgang Motte (Armenversorgung im 17. und 18. Jahrhundert dargestellt am Beispiel der reformierten Gemeinde Radevormwald) erschließt Quellengattungen, die es erlauben, einen Einblick in die inneren Verhältnisse in einer Gemeinde zu werfen. Ausgehend von den allgemeinen Polizeiordnungen und den Armenordnungen, die der Gemeinde die Sorge für ihre Armen aufgeben, untersucht der Verf. anhand der Jahresrechnungen der Armenverwaltung, zum Teil im Vergleich mit den Kirchenrechnungen, die Praxis der sozialen Tätigkeit über einen längeren Zeitraum. Thema sind die Provisoren, die Zuständigkeit der Gemeinde sowie die Aufgabenfelder die anhand der Einnahmen und Ausgaben dargelegt werden. Hans Joachim de Bruyn-Ouboter (Konfessionalisierung des Schulwesens? Das Beispiel der Barmer Schule von 1579) zeigt, wie die 1579 von der Barmer Bürgergesellschaft gegründete Barmer Schule ein Spiegelbild der konfessionellen Entwicklung der Gemeinde wurde. Er stellt die Geschichte der Schule zum Teil im Vergleich zur Schule 111 Elberfeld dar und stellt fest, daß die Konfessionalisierung und Industrialisierung die Entwicklung der Schule im konfessionell geteilten Barmen behindert hat.

Wera Groß (Die Kirchen des "Bergischen Typs" als prägende Elemente der Kirchenlandschaft im Bergischen Land des 18. Jahrhunderts) untersucht von Seiten der Bau- und Kunstgeschichte die Eigenständigkeit der protestantischen Kirchen im Bergischen. In Ratingen und Burg haben sich im 17. Jahrhundert konfessionelle Probleme auf den Kirchenbau ausgewirkt, im 18. Jahrhundert kamen auch interkonfessionelle Existenzstreitigkeiten zwischen Lutheranern und Reformierten hinzu. Dessen ungeachtet bildet sich im 18. Jahrhundert ein Bautyp heraus, der es erlaubt, die Kirchen zahlreicher bergischer Orte, wie z. B. in Ratingen, Leichlingen, Bergisch-Neukirchen, Dabringhausen, Lüttringhausen, Wupperfeld, Burscheid, Cronenbach, Dhünn, Reusrath und Hückeswagen, um nur einige zu nennen, in verschiedenen Bauelementen, im Äußeren wie in der Ausstattung zu vergleichen. 38 Abbildungen machen den Vergleich anschaulich. Burkhard Dietz (Köln und die bergischen Protestanten in der Frühen Neuzeit. Phasen und Strukturen eines ambivalenten sozioökonomischen Wechselverhältnisses) konzentriert sich auf das Verhältnis der Reichsstadt Köln zum bergischen Flecken Mülheim wobei er mehrere Zeitschichten unterscheidet, in denen sich Phasen strikter Ablehnung mit solchen von gemäßigter Haltung und solchen von stärkerer Kooperation abwechseln. Im Verhältnis von Köln und Mülheim spiegelt sich auch die jeweilige Haltung der Stadt Köln zu den in ihr wohnenden Protestanten wieder. Einer ersten Phase der Ausweisung und Verfolgung der Protestanten 1517-1583 folgt eine solche der relativen Sicherheit und Duldung 1583-1610. Bis 1652, nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem jülich-klevischen Erbfolgestreit und dem 30jährigen Krieg muß ein rabiateres Vorgehen festgestellt werden, das ja auch zu einer Zerstörung Mülheims 1614/15 durch die Spanier bzw. Kölner führte. Von 1652 bis 1713 stellt der Verf. eine "willkürliche Duldung" fest, die den Protestanten eine geringe aber ruhige Sicherheit brachte, während das Jahr 1714 mit der Übersiedlung zahlreicher protestantischer Fabrikanten und Kaufleute aufgrund von Privilegien Johann Wilhelms 11. nach Mülheim ein Krisenjahr wurde. Bis 1786 war dann wieder eine gemäßigte Haltung des Kölner Rates festzustellen, der 1787 bis 1789 im Zuge des Kölner Toleranzstreites eine stärkere Öffnung gegenüber den Protestanten propagierte.

Jörg Engelbrecht (Die bergische protestantische Ethik und der bergische Geist des Kapitalismus) geht der Frage nach, ob sich der von Max Weber postulierte protestantische Geist des Kapitalismus im Bergischen nachweisen läßt und wie sich die besonderen wirtschaftlichen Erfolge bergischer Fabrikanten nicht nur im Verhältnis zur Reichsstadt Köln erklären lassen. Es werden die Familienverbindungen bedeutender Fabrikanten, wie der Scheibler oder Kamp untersucht und auf die Kinder protestantischer Pfarrer hingewiesen, die zur Wirtschaftselite aufgestiegen sind. Als Erklärungsmuster kann gelten, daß die Protestanten gegenüber einem katholischen Landesherren mit seiner Beamtenschaft in die Defensive gedrängt und auf wirtschaftliche Betätigung verwiesen waren, auch von je her ein starkes Engagement im Bildungswesen besaßen, wie sich in der frühen Einrichtung von Kaufmannsschulen zeigt. Wolfgang Degenhardt (Uneinheitliche Landschaften. Die Konfessionalisierung des Siegerlandes in vergleichender Perspektive zum Bergischen Land) führt den Leser in das von den Nassauer Grafen regierte Siegerland. Zunächst stellt sich die Frage nach einem eigenen Volkscharakter des Siegerländers, da hier die Erweckungsbewegung und der Pietismus eine besondere Ausprägung erfahren hat. Andererseits war das Siegerland durch seine Fürsten eng mit den weltoffenen NiederIanden verbunden. Eine ähnlich uneinheitliche Konfessionalisierung von Siegerland und Bergischem Land hat wohl zu einer Beeinflussung des Siegerlandes aus dem Bergischen bis ins 19. Jahrhundert hinein geführt.

Da alle Aufsätze eng auf das Thema Konfessionalisierung bezogen sind, aber auch die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen sowie die Auswirkungen der Konfessionalisierung im Blick gehalten werden, ist trotz aller Unterschiedlichkeit der einzelnen Beiträge eine Gesamtdarstellung des Bergischen Landes in der frühen Neuzeit entstanden, die grundlegenden Charakter besitzt.

Clemens von Looz-Corswarem, Düsseldorf

 

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