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Helling-Studie von Dr. Dietz beleuchtet Leben und Werk
WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU, 06.12.2003
 

"Es bleibt zu wünschen, dass die von Burkhard Dietz ins Leben gerufene Helling-Forschung fortgesetzt wird." - Mit diesem bezeichnenden Satz beschließt Prof. Dr. Wolfgang Keim, Lehrstuhlinhaber für Erziehungswissenschaft an der Universität-Gesamthochschule Paderborn und Herausgeber der renommierten Schriftenreihe "Studien zur Bildungsreform", sein Geleitwort.

Das bezog sich auf den soeben veröffentlichten 43. Band seiner Publikationsreihe, der sich ausschließlich mit dem Leben und Werk des international hoch geachteten Schwelmer Gymnasialdirektors, Reformpädagogen und Wissenschaftlers Fritz Helling auseinandersetzt. Herausgeber des 487 Seiten starken Werkes ist der in Schwelm lebende Historiker und Germanist Dr. Burkhard Dietz.

Dr. Dietz hat in der vorliegenden Studie die Ergebnisse des Helling-Symposiums zusammen getragen, das er im vergangenen Jahr auf eigene Initiative in der Kreisstadt mit Unterstützung zahlreicher Experten sowie der Wilhelm-Erfurt-Stiftung für Kultur und Umwelt, des Vereins Elternspende des Märkischen Gymnasiums und des Forschungsinstituts Arbeit, Bildung, Partizipation der Ruhr-Universität Bochum ausgerichtet hatte. Aus unterschiedlichsten Perspektiven wird der Pädagoge und der Mensch Fritz Helling (1888-1973), den Dr. Dietz als "einflußreichen Vordenker, Initiator und kulturpolitisch-pädagogischen Funktionär" beschreibt, von Historikern, Pädagogen, Philologen und Theologen "beleuchtet".

Dabei ruht die Thematik nicht allein in der pädagogischen und historischen Feinarbeit der namhaften Autorinnen und Autoren. Vornehmlich von seinen ehemaligen Schülerinnen und Schülern abgegebene Aussagen als "Zeitzeugen" sowie der erstmals von den Experten ausgewertete Text von Hellings Autobiographie schaffen nun auch klarere Umrisse des Menschen Fritz Helling. Seine reformpädagogischen Ideen und Konzepte, seine programmatische Arbeit zur Neuen Erziehung finden explizit ihren Niederschlag in mehreren Aufsätzen des Buches. Die Wirkung unterschiedlichster politischer Strömungen auf das Leben und Wirken Hellings untersucht Dr. Dietz. Er widmet sich in einem seiner Beiträge auch dem Menschen Helling, der nach Amtsenthebung und Verfolgung im "Dritten Reich" sowie einer kurzen, aber höchst wirkungsvollen Zeit als Direktor des Schwelmer Gymnasiums in den 50er und 60er Jahren aufgrund seiner sozialistischen Weltanschauung und seiner intensiv gepflegten Ost-Kontakte erneut diskriminiert wird.

"Edel-Kommunist"

Den Aufbau des höheren Schulwesens in Schwelm und Nordrhein-Westfalen nach 1945 hat der jetzige Leiter des Gymnasiums, Jürgen Sprave, in einem ausführlichen Beitrag untersucht und dabei erstmals die konkreten Formen der reformpädagogischen Maßnahmen, die frühe Differenzierung der Oberstufe und die Einrichtung von Werkkursen, dargestellt wie sie unter Hellings Ägide in den späten 1940ern am Gymnasium durchgesetzt wurden.

"Schwelm hat ihn nicht verstanden" - ist die eindeutige Aussage der Arbeit, die Georg Dieker-Brennecke, Pädagoge am Gymnasium, durch die Befragung von Zeitzeugen entwickelt hat. Mit Unverständnis reagierten auch kürzlich noch einige Mitbürger auf die umstrittene Person Helling, aber die befragten Schüler und Bekannten erlebten und beschrieben den von seinen Kritikern als "Edel-Kommunist" titulierten Helling durchweg als höchst toleranten und integeren Lehrer.

Die Fortsetzung der wissenschaftlichen Forschung über Fritz Helling wäre für den Historiker Dr. Burkhard Dietz ein sehr wünschenswerter Auftrag für die Zukunft. Ob Schwelm ihn, Helling, verstehen wird, erscheint indes zweifelhaft. Denn die durch die vielbeachtete Tagung im März 2002 erneut offenbarte Anerkennung und Wertschätzung von Fritz Helling scheint sich nach Einschätzung von Dr. Dietz doch eher auf das wissenschaftlich-pädagogische Umfeld seines Wirkens zu beschränken. Bemühungen um die Einrichtung eines Fritz-Helling-Dokumentationszentrums oder Fritz-Helling-Archivs, die Gründung einer Fritz-Helling-Gesellschaft, die Umbenennung des Schwelmer Gymnasiums in Fritz-Helling-Gymnasium oder zumindest die Widmung einer Straße nach Fritz Helling wären vielleicht ein Indiz dafür, dass sich Schwelm im neuen Jahrtausend darum bemühte, das Ansehen dieses bedeutenden Aufklärers und Pädagogen zu würdigen - wenn sie ihn schon nicht verstehen. Der vorliegende Band, eine der seit langem wichtigsten und profundesten Veröffentlichungen zur Stadtgeschichte Schwelms, unterbreitet ein reiches Angebot, um sich über einen der großen Söhne der Stadt, gesellschaftlichen Wandlungen und das politische Klima im 20. Jahrhundert zu informieren. Das eventuelle Verstehen hätte dann immerhin eine Grundlage.

Autobiographie

Schon jetzt darf man daher gespannt darauf sein, wenn Dr. Dietz im kommenden Jahr (als Ergänzung zum vorliegenden Band) in derselben Schriftenreihe die kommentierte Edition von Fritz Hellings Autobiographie "Mein Leben als politischer Pädagoge" veröffentlicht.

Burkhard Dietz (Hrsg.): Fritz Helling, Aufklärer und "politischer Pädagoge" im 20. Jahrhundert. Interdisziplinäre Beiträge zur intellektuellen Biographie, Wissenschaftsgeschichte und Pädagogik (Studien zur Bildungsreform, hrsg. v. Wolfgang Keim, Bd. 43), Frankfurt a.M.: Peter Lang Verlag,ISBN 3-631-51546-4.

 

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